Kommentar: Markus Fäh
Warum ermordet ein Jugendlicher seine Mitschüler und Familienmitglieder? Wie entwickelt sich nach der Horrortat die Beziehung zwischen der – vom Massaker verschonten – Mutter und ihrem Sohn, dem Attentäter? Ezra Miller in seiner düsteren Schönheit und eine zutiefst verstörte Tilda Swinton spielen hier die Rollen ihres Lebens. Die schottische Regisseurin Lynne Ramsay entwirft ein formal komplexes, schockierendes Panorama menschlicher Innenwelt: Wie entsteht Böses? Ist es die Folge fehlerhafter Erziehung, mangelnden Verständnisses, traumatischer Erfahrungen, triebhafter Einbrüche? In Zeiten der Amokläufe Adoleszenter von Columbine bis Erfurt fragen wir uns auch: Hat sich unsere auf oberflächliche Perfektion ausgerichtete Gesellschaft von den Kindern und der Einfühlung in deren Abgründe und Nöte verabschiedet? Verweigert sie ihnen echte Auseinandersetzung – bis es irgendwann zu spät ist?