Kommentar: Yvonne Frenzel
Michael Haneke inszeniert seinen vielschichtigen Psychothriller als sozialkritisches Kammerspiel. Mit streng kadrierter Kameraeinstellung zeigt er uns zunächst ein Haus in einer beschaulichen Pariser Seitenstrasse. Hier wohnt ein gut situiertes Intellektuellenpaar (Juliette Binoche, Daniel Auteuil) mit seinem Sohn. Die mysteriöse Videokassette, die dem Paar eines Tages vor die Haustür gelegt wird, zeigt bloss ebendieses Haus. Das Paar spult vor, spult zurück, rätselt. Weitere Videokassetten folgen, und beim Ehemann setzt allmählich Erinnern ein. Im Zuge der nun folgenden Rekonstruktion einer Kain-und-Abel-Geschichte nähern wir uns nicht nur einer individuellen, sondern auch einer kollektiven Schuld: dem historischen Hintergrund des Plots. Der Film kommt ganz ohne Musik aus – und erzeugt dennoch atemlose Spannung.